Alles ist schwierig, bevor es leicht wird.   Moslik Saadi

Was sind frühkindliche Reflexe?

Frühkindliche Reflexe sind angeborene, automatisch ablaufende und stereotype Bewegungen auf äußere Reize, wie zum Beispiel eine Berührung oder einen Gegenstand im Blickfeld. Sie haben für die Entwicklung des Kindes enorm wichtige Aufgaben.

  • Sie unterstützen den Geburtsvorgang.
  • Einige sichern das Überleben des Säuglings, z.B. der Such- und Saugreflex zusammen mit dem Schluckreflex, die die Nahrungsaufnahme ermöglichen.
  • Andere wiederum geben im 1. Lebensjahr Impulse für die motorische Entwicklung, so dass das Baby anfängt, sich zu strecken, zu drehen und aufzurichten.
  • Weiteren kommt eine Schutzfunktion zu, z.B. der Lid- und Hustenreflex.
  • Vor allem sind sie aber eine Voraussetzung, dass eine Gehirnreifung stattfinden kann.

Frühkindliche Reflexe bilden sich während der Schwangerschaft und treten zeitlich begrenzt auf. Sie geben dem Baby immer wieder den Impuls für eine bestimmte Bewegung, bis es das Baby kann (z.B. das Drehen von der Rückenlage auf den Bauch) und dann wird der Reflex nicht mehr benötigt. Wenn sie also ihre Funktion erfüllt haben, werden sie langfristig abgeschaltet (=gehemmt) und/oder in bestimmte Bewegungsmuster überführt, z.B. Stell- und Gleichgewichtsreaktionen des Kopfes. Bestehen frühkindliche Reflexe weiter, können sie die weitere motorische und emotionale Entwicklung sogar stören. Es gibt unterschiedliche Gründe, warum frühkindliche Reflexe persistieren und länger als benötigt aktiv bleiben, z.B. Probleme während der Schwangerschaft, Komplikationen bei der Geburt. Durch einschneidende Erlebnisse (Unfall, Schock, Trennung der Eltern) kann ein frühkindlicher Reflex jedoch manchmal wieder aktiviert werden.

Wie äußern sich persistierende frühkindliche Reflexe?

Manche sind deutlich erkennbar, z.B. der Greifreflex. Dieser ist gut zu beobachten, wenn ein Kind ein Tier füttern möchte, aber die Hand nicht flach gehalten werden kann. Oft arbeiten diese Reflexe aber im Hintergrund und sind nicht sichtbar.

Ein Kind muss diesen Reflex mit seinen Bewegungsmustern aber kontrollieren und aktiv übersteuern. Meist geschieht es unbewusst, aber es erfordert Konzentration und bindet Kapazität von verschiedenen Gehirnarealen, die dann nicht für die eigentliche Aufgabe zur Verfügung stehen, so dass Probleme entstehen. Kinder sind sehr geschickt im Ausgleichen, auch unbewusst. Aber jede Kompensation birgt die Gefahr, dass sie zusammenbricht, wenn die Aufgabe komplexer wird, z.B. bei der Sprachentwicklung, bei sportlichen Aktivitäten sowie beim Erlernen von Schreiben, Lesen und Rechnen. Es hat auch Auswirkungen auf Konzentration, Impulsivität, Frustrationstoleranz, Schlaf etc.

Ein Kind mit persistierenden frühkindlichen Reflexen muss sich (extrem) anstrengen, um die Leistung zu erreichen, die andere Kinder mit Leichtigkeit tun oder verstehen. Dies wird vor allem in der Schule zum Problem, da es zu Lern- und Konzentrationsschwierigkeiten sowie Verhaltensauffälligkeiten und Stress führen kann.

Beispiel: Bei einem noch aktiven Greifreflex fällt es dem Kind schwer, einen Stift beim Schreiben locker zu halten. Die Hand verkrampft, ermüdet schnell durch den (zu) starken Druck. Die Aufgabe wird nicht in der Zeit geschafft und die Handschrift wird unleserlich. Zudem zweifelt das Kind an sich selbst und ist entmutigt.

Es kommt auch zu Diagnosen wie ADS, ADHS, LRS, Dyskalkulie oder Autismus-Spektrum-Störung. Emotional zeigen sich häufig mangelnde Impulskontrolle, ausgeprägtes Frustrationsverhalten und psychische Auffälligkeiten.

Die „unkoordinierte“ Bewegungskontrolle und fehlende Balance erschwert die Entwicklung einer motorischen, auditiven, visuellen und sensorischen Reife. Dadurch entsteht eine emotionale Dysbalance. Nur wenn der Körper im Gleichgewicht und stabil ist, kann auch das Gefühlsleben in Balance sein.

Woran erkenne ich, ob noch frühkindliche Reflexe vorliegen?

Frühkindliche Reflexe äußern sich recht vielfältig und diffus. Im ersten Ansatz können Sie mit dem Fragebogen auf meiner Homepage selbst prüfen, ob gewisse Merkmale zutreffen. Im zweiten Schritt prüfe ich anhand Ihrer Anamnese und mit einem ausführlichen Screening den neurophysiologischen Entwicklungstand Ihres Kindes. 

Hierbei schaue ich auf:
  • Fortbestehen frühkindlicher Reflexe und Testen auf Halte- und Stellreflexe
  • neuromotorische Aufrichtung
  • Gleichgewicht und Bewegungskoordination
  • Grob- und Feinmotorik
  • Seitigkeitsentwicklung
  • auditive und visuelle Wahrnehmung (Sehen und Hören)
  • Lese-, Schreib- und Rechenfähigkeit
  • allgemeines Verhalten

Eltern haben ein intuitives Gefühl und Gespür für die Entwicklung ihres  Kindes und berichten oft von dem Eindruck, dass da irgendwie noch „etwas“ sei, was sie aber nicht genauer beschreiben können. Sie haben bereits viel unternommen und es gab schöne Erfolge und Fortschritte. Aber immer wieder kommen Eltern an diesen Punkt des (Ver-)Zweifelns und der Frage, wie sie ihrem Kind weiterhelfen können.

Wie kann Menschen mit persistierenden frühkindlichen Reflexen geholfen werden?

Mein Behandlungs- und Trainingsprogramm legt den Fokus auf das qualitative Nachholen der motorischen Entwicklung im ersten Lebensjahr mit Ausreifen/Hemmen/Überformen der frühkindlichen Bewegungsmuster.

Mit speziell auf Ihr Kind angepassten unterschiedlichen Übungen werden unzureichende oder ausgelassene Entwicklungsschritte nachgeholt, (Rumpf-)Stabilität im Körper erreicht und Dysbalancen beendet.

Es ist eine ganzheitliche Methode und vor allem nachhaltig, weil es bei den Ursachen und nicht bei den Symptomen ansetzt! Die Wirkung beschränkt sich daher nicht nur auf die Motorik, sondern auch auf Sprache, Lernen, Wahrnehmungsvermögen, Emotionen, Verhalten, Resilienz und Vieles mehr!

Warum sind bei Kindern die frühkindlichen Reflexe zunehmend noch aktiv?

Dafür gibt es unterschiedliche Gründe, die die natürliche Entwicklung erschweren:

  • eine stressige Schwangerschaft: Vereinbarkeit von Job und Schwangerschaft, unklare oder auffällige Befunde, langes Liegen ohne Impulse für den Fötus etc.
  • mehr Ultraschalluntersuchungen: Ein Ultraschall bedeutet für das Ungeborene Stress und hört sich für ihn so an, als ob eine U-Bahn vorbeifährt (Untersuchung der Mayo Clinic Rochester).
  • schwierige Geburtsverläufe oder ein Kaiserschnitt
  • Babys liegen zu wenig auf dem Bauch, weil (elektronische) Spielbögen spannender sind und sie unnatürlich in der Rückenlage gehalten werden. Die motorische Entwicklung und Aufrichtung beginnt aber in der Bauchlage.
  • zu langes Liegen in der Babyschale oder in Babywippen
  • zu frühes Hinsetzen

Egal, welche Ursache aufgeführt wurde: Liebe Eltern, bitte keine Vorwürfe machen! Auch wenn manche Maßnahmen zu den persistierenden Reflexen geführt haben könnten, waren sie medizinisch notwendig! Ohne konsequente Ruhe bei vorzeitigen Wehen, ohne ein zusätzliches Ultraschall zur Abklärung von medizinischen Unklarheiten, ohne einen notwendigen (Not-)Kaiserschnitt o.ä. wäre Euer wundervolles Kind heute vielleicht nicht auf der Welt. An den Restreaktionen arbeiten wir dann gemeinsam.